Immer wieder erreichen mit Bitten, Stellung über das strategsiche "ob" einer Auslagerung zu nehmen. Hier geht es primär nicht um rechtliche Fragestellungen, sondern um stratgische Ausrichtungen.
Der nachfolgende Artikel zeigt Erfahrungswerte aus zahlreichen Geschäftsvorfällen auf.
Strategische Fragestellungen zum Pro und Contra von Auslagerungen (outsourcing) für ein Unternehmen |
Ein Thema beschäftigt seit Jahren Fachbereich und Entscheidungsträger: Pro und Contra bzgl. Auslagerungen. So banal die Fragestellung ist, so banal ist die Antwort: es kommt darauf an. Diese Frage wird zurecht immer wieder aufgeworfen, hat jedes Mal ihre Berechtigung und muss jedes Mal neu einzelfallbezogen beantwortet werden. Setzt sich ein Unternehmen mit dieser Fragenichtauseinander, kann es zu schmerzhaften Konsequenzen kommen. Es geht um strategische Fragestellungen, ob und wie ein Unternehmen Teile der von ihm zu erbringenden Prozesse an Dritte überträgt.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht führt die Regulierung von Zahlungsdiensten in Deutschland durch. Im aufsichtlichen Sinn ist die Auslagerung in AT9/ MaRisk i.d.F. vom 29.06.2023 definiert:
„Eine Auslagerung liegt vor, wenn ein anderes Unternehmen mit der Wahrnehmung solcher Aktivitäten und Prozesse im Zusammenhang mit der Durchführung von Bankgeschäften, Finanzdienstleistungen oder sonstigen institutstypischen Dienstleistungen beauftragt wird, die ansonsten vom Institut selbst erbracht würden.“
Hervorzuheben ist, dass aufsichtlich „grundsätzlich Aktivitäten und Prozesse auslagerbar sind, solange dadurch die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsorganisation“ nicht beeinträchtigt wird. Leitungsaufgaben der Geschäftsführung sind nicht auslagerbar; die Auslagerung darf nicht zu einer Delegation der Verantwortung der Geschäftsführung an das Auslagerungsunternehmen führen. Nachfolgend geht es nicht nur um eine Auslagerung im aufsichtlichen Sinn.
Welche Prozesse/ Arbeitsschritte eignen sich für eine Auslagerung:
Prozesse und Arbeitsschritte, die das auslagernde Unternehmen infolge ihrer Komplexität gar nicht in wettbewerbsfähiger Form selbst erbringen kann, sind zwingend auszulagern. Hier denke ich zum Beispiel an das Vorhalten eines Kernbanksystems zur Durchführung von Bankgeschäften wie an die Verarbeitung von Zahlungstransaktionen, um ein einfaches Beispiel zu nennen. Denken wir an die vielen Dienstleister hinter den Instituten wie die finanzinformatik, die PLUSCARD oder die S-Payment aus dem Bereich der S-Finanzgruppe, oder die Atruvia AG aus dem genossenschaftlichen Bereich oder die SOPRA, die auf keine Bankengruppe eingeschränkt ist. In diesen zwingenden Fällen einer Auslagerung geht es nur um die Frage, mit welchen Instrumenten das auslagernde Unternehmen seine Interessen gegenüber dem Dienstleister absichert. Bereits hier bedarf es einer IT-Strategie.
Spannender ist die Frage in Fällen, in denen Prozesse von externen Unternehmen kostengünstiger und mit höherer Qualität erbracht werden sollen oder wenn das auslagernde Unternehmen die Verringerung der Komplexität seiner Prozesse und/ oder eine Konzentration auf sein Kerngeschäft anstrebt. Hier sollen i.d.R. durch Spezialisierung und Mengenbündelung beim Dienstleister (nachfolgend auch „Auslagerungsunternehmen“) Kosten- und Qualitätsvorteile gezogen werden, die die Wettbewerbsfähigkeit des auslagernden Unternehmens steigern (sollen). In diesem Umfeld müssen Vor- und Nachteile identifiziert und sorgfältig gegeneinander abgewogen werden.
Nachfolgend ein paar Stichpunkte, deren tatsächliche Auswirkungen einer Einzelfallabwägung vorbehalten bleiben:
Vorteile einer Auslagerung |
Abwälzen des Betriebsrisikos auf den Dienstleister („Mindestlohn“, „Stromkosten“, „Energiewende“)
Personaleffizienz
Preis- und Leistungsdruck des Dienstleisters durch Innovationen („künstliche Intelligenz“, „Digitalisierung“)
Spezialkenntnisse müssen nicht aufgebaut werden, sondern werden einkauft
höhere Flexibilität für die Einführung neuer Prozesse, technischer Anpassungen und für das eigene Leistungsangebot an Kunden
Armortisationsrisiko trägt der Dienstleister
Preis- und Leistungsdruck des Dienstleisters durch internationalen Wettbewerb
Verlagerung der rechtlichen Verantwortung für Schlechtleistung auf den Dienstleister
Keine/ geringere Kapitalbindung/ Investitionen
Hohe Flexibilität („Einführung neuer Produkte“, „Leistungsänderungen“, „Wertschöpfung durch Kooperationsmöglichkeiten zur gemeinsamen Leistungserbringung“)
Abgeschwächte Risiken durch Öffnung der (europäischen) Märkte
Abgeschwächte Risiken durch Änderungen der gesetzlichen und politischen Rahmenbedingungen („Stromkosten, Transmission der Energiewende“, „Nachhaltigkeit“, „Mindestlohn“ …)
Auswahlermessen zwischen mehreren Dienstleistern
Konzentration auf das Kerngeschäft
Geringere Abhängigkeit von der Rekrutierung von Fachkräften („angespannter Arbeitsmarkt“, „Mindestlohn“, „Krankheitsquote“)
Nachteile/ Risiken einer Auslagerung |
Kein unmittelbarer Einfluss auf die tatsächliche Qualität der eingekauften Leistung (Erfüllungsrisiko)
Eigene Haftung im Außenverhältnis gegenüber Kunden kann an Dienstleister nicht durchgereicht werden („Haftungs-Gap“)
Nachhaltige Schlechtleistung des Dienstleisters begründet eigenen Reputationsschaden am Markt/ gegenüber Kunden
Erhöhte Anforderungen an eigene Dienstleistersteuerung (Umfang und Qualifikation)
(erhebliche) Aufwände zur Erfüllung regulatorischer Vorgaben („Reportingpflichten“, „Außenprüfung“)
Probleme beim Durchreichen aufsichtlicher Vorgaben („Kostendruck“), deren unmittelbarer Adressat das Institut ist, an einen Dienstleister, der der Aufsicht nicht unterliegt
Weitergabe von know-how und Geschäftsgeheimnissen an den Dienstleister
Auslagerndes Unternehmen beauftragt individualisierte Weiterentwicklungen beim Dienstleisters, die dann von diesem am Markt Wettbewerbern angeboten werden
Abhängigkeiten zum Dienstleister nach Ablauf der ersten Vertragslaufzeit (Preis- und Leistungsrisiko)
Aufwände und Risiken beim Wechsel des Dienstleisters („Migrationsrisiken“, „Betriebsunterbrechungsrisiken“, „Dienstleister gibt erforderliche Dokumentation eigener Prozesse nicht bekannt“)
Verlust von eigenem know-how/ Aufbau von weiterem know-how beim Dienstleister
Risiken bei der Auswahl eines geeigneten Dienstleisters (einschließlich „change of control" auf Seiten der Gesellschafter des Dienstleisters)
Um die Frage einer IT-Auslagerung sinnvoll zu beantworten, bedarf es einer belastbaren IT-Strategie.
Welche Prozesse/ Arbeitsschritte werden häufig ausgelagert |
Typische ausgelagerte Prozesse sind einfache Prozesse, die das Kerngeschäft nicht berühren (Personalverwaltung, Finanz- und Betriebsbuchhaltung, Lohn- und Gehaltsabrechnung, Facilitymanagement und Fuhrparklogistik, Gastronomie und Empfang) oder Prozesse, die eine hohe Spezialisierung und ein anspruchsvolles Mengengerüst erfordern (Kernbanksystem, Call-Center, Issuingprocessing).
Rahmenbedingungen einer Auslagerung |
Es ist ein Irrglaube zu denken, dass an das Auslagerungsunternehmen alle (Haftungs-) Risiken ausgelagert werden können. Auslagerungsunternehmen verhandeln mit umfangreichen Haftungsbeschränkungen bezüglich ihrer Verpflichtung zur Leistung von Schadenersatz, als auch mit Risikoausschlüssen bei der Erfüllung der versprochenen Leistungen. Eine erweiterte Haftung des Auslagerungsunternehmens führt erfahrungsgemäß unmittelbar zu einer empfindlichen Preisanpassung. Versicherungsleistungen zu Erfüllungsrisiken sind aufwendig abzuklären. Besonderes Augenmerk ist erforderlich, um auszuschließen, dass das Auslagerungsunternehmen unter Berufung auf seinen Vertrag die Option nachhaltige Schlechtleistung der Option vertragsgerechte Erfüllung vorzieht.
Abgrenzung Outsourcing zu ManagedServices und SaaS (Software as a service) von ITDienstleistungen |
Managed Services sind IT-Dienstleistungen, die ein Unternehmen an einen Managed Service Provider (MSP) auslagert. In Abgrenzung zum Outsourcing ist Eigentümer der Hardware das Unternehmen, das auch die Sachherrschaft und die Entscheidungshoheit über seine Hardware-IT behält und lediglich zahlreiche IT-Dienstleistungen ausgelagert werden, die vom MSP in der Regel Remote erbracht werden. Software as a Service ist ein Lizenzmodell, bei dem der Anbieter online Pflege und Wartung einer funktionstüchtigen Software mit vereinbarten Service-Level zur Verfügung stellt.
Ausblick |
Zahlreiche Projekte scheitern infolge einer negativen Prognose zur oder an einer missglückten Akquisition von Fachkräften. Die nahezu sprunghafte Entwicklung der Digitalisierung begründet Armortisationsrisiken, d.h. Risiken, dass die zu erwartenden Cashflows aus einem Projekt nicht ausreichen, um die Investitionskosten zu decken. Mit Einführung der künstlichen Intelligenz wird die Automatisierung von Prozessen zum Schnellboot. Hier werden auch erhebliche Anforderungen an die aufsichtlich geforderte IT-Strategie eines Unternehmens gestellt. Für das auslagernde Unternehmen besteht ein besonderes Spannungsverhältnis einerseits zwischen bewährten Bestandprozessen und andererseits zwischen neuen, schlanken Automatisierungslösungen aus einem sich öffnenden europaweiten Markt. Hier bestehen neben den Risiken auch für jedes Unternehmen erhebliche Chancen. Stefan Roesler, Geschäftsführung DSV-Gruppe, hat einen Ausblick auf das Potential von KünstlicheIntelligenz aufgezeigt